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Eine dieser grandiosen „Hollywood-Episoden“, die auch noch damit brilliert, dass ein gealterter Star einen gealterten Star spielt. Was in dem ebenfalls gelungenen „Klatsch kann tödlich sein“ mit Anne Baxter begann, wird hier noch konsequenter mit Janet Leigh auf den Punkt gebracht und endet mit einem sehr berührenden wie ungewöhnlichen Finale, das aber zu Columbos Wesen passt. Das Detektivische sowie ein paar Kultmotive kommen ebenfalls nicht zu kurz, zudem ist das alles mit dem psychologischen Drama aufs Beste verwoben. Ganz weit oben, 9 von 9 Punkten, wobei ich den einzigen Mini-Einwand gleich mal vorab erwähne: Wieder einmal geht es um einen als Selbstmord getarnten Mord. Da aufgrund eines Todeskrampfes der Hand des Opfers klar ist, dass dieses die Pistole beim Schuss selbst gehalten hat, muss Columbo darauf kommen, dass die Täterin die Waffe nicht erst nach, sondern bei der Tat dem Opfer in die Hand gegeben hat. Das Opfer muss also betäubt gewesen sein. Somit hätte nahegelegen, dass Columbo eine Obduktion anordnet und sich aufgrund des Ergebnisses fragt: Wieso wirft sich jemand eine betäubende, aber nicht tödliche Überdosis Schlaftabletten ein und kann sich anschließend noch erschießen? Aber das sind Peanuts. Worum geht es nun wirklich? Bei Columbo geht es öfter einmal um Menschen, die auch als Täter im Grunde Opfer ihrer egozentrischen, verengten Sichtweise sind, die unter einer Glasglocke, in einer Illusionswelt leben und in bemerkenswertem Tunnelblick diese zwanghaft mit der realen Welt verwechseln. Und um Menschen, die im realen Leben Theater spielen, die ganz gezielt etwas „inszenieren“, sich selbst, den Mord, die falschen Spuren. Manchmal kommt beides zusammen, so natürlich hier. Dabei scheint Janet Leigh im direkten Vergleich zu der immer im Understatement sehr nuancierten Anne Baxter zunächst abzufallen. Mit ihrem fast schon hysterischen Gefasel von einem Musical-Comeback nervt sie gewaltig, und sie sieht nicht gut aus, was vor allem die Schuld des Kostümbildners ist. Die Dame in einem halbseitig schulterfreien Kleid, da sieht man schonungslos, dass sie nur Haut und Knochen ist, Knochen vor allem. Dies dürfte aber ein bewusster Akzent sein. Solche ein Kleid wird sie nie wieder tragen, und rückschauend zeigt die Szene eindrucksvoll, wie sehr sie Gefangene ihres Traumes ist und wie realitätsfern dieser ist. Dazu passt, dass ihr das Drehbuch eine Krankheit andichtet, die ihr Kurzzeitgedächtnis Aussetzer machen lässt, während das Langzeitgedächtnis noch tadellos ist. Erstens ist das wunderbar dargestellt, merken wir doch schon vor der Lüftung dieses Geheimnisses, dass die Dame seltsame Aussetzer hat (ohne dass es Dialoge und Mimik der Leigh zu holzhammerartig vorführen). Zweitens ist das natürlich auch ein kongeniales Sinnbild für das Leben in der ruhmreichen Vergangenheit und das Ignorieren des Heute. Soll man so einem Menschen die Illusion rauben? Am Ende offenbart sich zudem noch eine wunderschöne, wenn auch einseitige Liebesgeschichte, von der auch unser Ermittler nicht ungerührt ist, sodass er mit dem Liebenden einen illegalen Pakt schließt. Darf man das? Manche kritisieren dies. Man sollte aber bedenken, dass das nur Fernsehen ist und es zahlreiche Folgen gibt, in denen Columbo mit juristisch unsauberen Mitteln arbeitet – allein die gefälschten Beweise aus diversen Folgen und die schon etwas krasse Zusammenarbeit mit einem Mafiaboss in „Seltsame Bettgenossen“! Columbo ist nicht nur unbeirrbar, sondern auch Moralist und Humanist, und er hat Herz. So ließ er Ruth Gordon, für die er durchaus Sympathie hegte, nicht entkommen, obwohl von ihr als alter Frau keine Gefahr mehr ausging – aber weil sie ums Entkommenlassen ersucht und mit ihrer altersbedingten Gefahrlosigkeit kokettiert hatte. Berücksichtigt man dies, ist der Ausgang der vorliegenden Folge nicht nur hochemotional, sondern auch stringent und sympathisch.
Auch Details am Rande sind äußerst gelungen: Könnte man den Gag, dass Columbo sich vor dem Schießtraining seit Jahren drückt, nicht auch als parodistische Anspielung auf ein ebenfalls dysfunktionales Kurzzeit- bei perfektem Langzeitgedächtnis deuten, nach dem Motto: „Das hab ich doch schon bei der Ausbildung gemacht“? Ferner wird das Leben in der Illusion dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sich der Leigh-Charakter ständig alte Filme mit sich selbst ansieht, was zudem perfekt mit dem Mord sowie der Detektion verknüpft wird. Und ihr Ex-Tanzpartner bringt den Unterschied zwischen Kunst und Leben herrlich sarkastisch auf den Punkt, wobei er dafür sorgt, dass das „falsche Leben“ auch positiv zu würdigen ist und Kunst von Können kommt (dito die Tanzproben, in denen der Leigh-Charakter auf die harte Wirklichkeit prallt): Wenn Columbo zwei linke Füße habe und nicht tanzen könne, möge er Kritiker werden („Kritiker sind wie Eunuchen. Sie wissen, wie es geht, aber sie können’s nicht“, heißt es gelegentlich sinngemäß unter Künstlern). Schließlich fallen Details auf wie das, dass Leigh, tänzerisch nicht mehr auf der Höhe, noch perfekt im figurbetonten Gymnastikanzug katzengleich schleichen und vom Balkon über einen Baum hinabklettern kann, woran Columbo übrigens im wahrsten Sinne des Wortes krachend scheitert. Für die Kunst tut sie alles, für die Kunst begeht sie den Mord, für den Mord kann sie sowas noch perfekt. Die schnittlose Szene zeigt übrigens, dass die Leigh sich nicht doubeln ließ!
Doch wie gesagt, die Fassade bekommt Risse, die zunächst unsympathische Leigh wird sympathisch oder zumindest bemitleidenswert, ihr Spiel und ihre Kostüme werden zurückgenommener, die Kamera betont nicht mehr den exaltierten Körper, sondern das wehmütige, nun mit nuancierterer Mimik auskommende Gesicht. Und sogar der typische Arrogante, der von Columbo zunehmend genervt ist, bekommt Herz und Seele, worauf Columbo am Ende auch auf wie gesagt sehr berührende Weise eingehen wird. Und dennoch ist er nicht „ein ganz anderer“, sondern ist dieser Fall wie für ihn gemacht, indem er eine Seite an ihm besonders hervorhebt, die aber erkennbar immer schon da war. Das Ganze ist ebenfalls hervorragend in den nicht so leicht als „handwerklich“ kleinzuredenden filmischen Tugenden wie Ausstattung, Kostüme, Kamera, Schauspielführung, Dekor, Beleuchtung. Eine der besten Folgen! |